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Wer war Liborius Wagner?

Seine Herkunft

Liborius Wagner wird am 5. Dezember 1593 im thüringischen Mühlhausen geboren. Sein Vater ist Schneidermeister sowie zeitweilig Zunftobermeister und Ratsherr. Der 5. Dezember ist zugleich der Tauftag des kleinen Liborius. Er ist das erste Kind der Familie Wagner, die nach protestantischem Bekenntnis lebt.

Mühlhausen hatte sich früh (1542) der Lehre der Reformatoren angeschlossen. Kaum 20 Jahre später gab es in Wagners Vaterstadt keine katholische Kirche mehr.
Zunächst geht Wagner in die Lateinschule in Mühlhausen. Mit 19 Jahren nimmt er das Studium der Philosophie (artes liberales) in Leipzig auf. Für dessen Finanzierung sucht Liborius den Rat der Stadt um Unterstützung an. Dem Schreiben legt er ein selbst verfasstes Heilig-Geist-Gedicht bei. In Auslegung dieses Gebetes sprach Bischof Dr. Paul-Werner Scheele über den Seligen von einem Leben „in der Gegenwart des Geistes“. Gottes Geist vertraut der junge Liborius sein Leben, noch nicht wissend, wohin dieser ihn führen würde, mit folgenden Worten an:

„Bist Du mein Führer, so geb ich mein Segel furchtlos den Winden.
Bist Du mein Führer, so fürcht‘ ich nicht die Wogen des Meeres, noch des Sturmes rasende Wut.
Bist Du mein Führer, so wird mein gesichertes Boot die rettende Küste erreichen.“

Sein Ringen um Glaube und Kirche

Zu diesem Zeitpunkt ist Wagner überzeugter Anhänger der lutherischen Lehre. Seine Studien führen ihn nach Gotha und schließlich nach Straßburg. Als Magister kehrt er in seine Vaterstadt zurück. Erfolglos bewirbt er sich um eine Lehrerstelle.

Es folgen drei stille Jahre, die Liborius Wagner in seinem Elternhaus zubringt. Er widmet sich offensichtlich Fragen des Glaubens. Sein Ringen wühlt ihn auf. Vermutlich kommen Zweifel auf am Glauben seiner Eltern. Wagner entschließt sich, seine Vaterstadt zu verlassen. Ohne sein Ziel zu verraten, geht er 1622 an die durch Fürstbischof Julius Echter (1545-1617) wieder begründete Universität Würzburg. Sie stellt zu dieser Zeit ein wichtiges Zentrum der katholischen Reform dar.

Durch die geistliche Begleitung der Jesuiten kann Wagner letzte Zweifel überwinden. Offensichtlich begegnet er glaubwürdigen Zeugen des „alten Glaubens“. 1623 wagt er den mutigen Schritt und bittet um die Aufnahme in die katholische Kirche. Um die Bedeutung dieser Gewissensentscheidung zu ermessen, ist zu bedenken, auf welche Verbindungen zu seiner Herkunft und Familie er in dieser zerstrittenen Zeit nun verzichten musste.

Sein Wirken als Priester

Er bittet schließlich um Aufnahme ins Priesterseminar. Durch seinen Magister in Philosophie ist seine Studienzeit verkürzt. Am Karsamstag des Jahres 1625, im Alter von 32 Jahren, empfängt Liborius Wagner in Würzburg die Priesterweihe. Zuerst wirkt er als Kaplan in Hardheim im Odenwald, das damals zum Bistum Würzburg gehört.

Ein Jahr später (1626) wird er Pfarrer von Altenmünster mit der Filiale Sulzdorf, nordöstlich von Schweinfurt gelegen. Die Gegend ist konfessionell gespalten: Der Pfarrort Altenmünster ist mehrheitlich evangelisch, die Filiale Sulzdorf mehrheitlich katholisch. Als Pfarrer bemüht sich Liborius Wagner in einer Zeit religiöser Zerstrittenheit und Verwirrung um den menschlichen Ausgleich und um die Klarheit des Glaubens. Eifrig wirkt er als Seelsorger. Aus den erhaltenen Dokumenten geht hervor, wie er um jede Seele ringt, wie mühevoll sich aber auch das Leben des Pfarrers gestaltet – pastoral und wirtschaftlich.

Die weltlichen Gesetze der Zeit sehen vor, dass sich alle Bewohner des Ortes von Wagner taufen und trauen lassen müssen; nach kirchlichem Recht darf er Andersgläubige aber nicht in geweihter Erde bestatten. Konflikte sind unausweichlich. In gläubiger Geduld trägt der Pfarrer dieses Kreuz.

Sein Blutzeugnis

Bereits 1618 war der Dreißigjährige Krieg ausgebrochen. 1631 war der Schwedenkönig Gustav Adolf auf dem Vormarsch. Zwar sichert Gustav Adolf den Katholiken zu, dass sie ihrer Kirche treu bleiben dürfen, doch viele der angeworbenen Soldaten sind von Hass so erfüllt, dass Priestermorde keine Seltenheit darstellen. Von Brand und Verwüstung ist der Weg der Truppen gezeichnet.

Als die schwedische Armee in Franken einrückt, flieht Pfarrer Liborius Wagner in das fünf Kilometer entfernte Reichmannshausen. Im Schulhaus findet er ein Versteck. So kann er zumindest in der Nähe seiner Gläubigen bleiben. Beim Versuch, persönliche Dinge aus seinem Pfarrhaus zu holen, wird man auf ihn aufmerksam. Er wird gefangen genommen.

An ein Pferd gebunden verschleppen ihn die Soldaten auf die Burg Mainberg bei Schonungen. Vier Tage lang wird der Schlosshof Schauplatz frivoler Szenen und furchtbarer Grausamkeiten. Die Soldaten wollen den verhassten Pfarrer zum Abfall vom Glauben zwingen. Doch Liborius Wagner bleibt standhaft. Mehrfach antwortet er seinen Schergen: „Ich lebe, leide und sterbe päpstlich-katholisch.“

Schließlich führen ihn seine Henker nach Schonungen ans Mainufer. Einer ersticht den Gottesmann. Am Abend des 9. Dezember 1631 stirbt Liborius Wagner den Märtyrertod. Sein entblößter Leichnam wird in den Main geworfen.

Des uralten Glaubens neuer Zeuge

Nach mehreren Monaten wird der unverweste Leichnam von Fischern geborgen und zunächst auf den Mainwiesen bestattet. Doch bald bergen ihn die Augustinerchorherren vom Stift Heidenfeld südlich von Schweinfurt. Seit 1637 befanden sich die Reliquien in der Klosterkirche. Nach deren Abbruch in Folge der Säkularisation wurden sie 1804 in die Pfarrkirche übertragen, wo sie bis heute ruhen. Die Chorherren schrieben auf seinen Grabstein, der noch im Altarraum der Heidenfelder Kirche zu sehen: „Des uralten Glaubens neuer Zeuge“.

Die Wirrungen der Zeiten verzögerten die kirchliche Anerkennung seines Blutzeugnisses. Doch am 24. März 1974 wird Liborius Wagner vom heiligen Papst Paul VI. im Petersdom selig gesprochen. Eine große Gruppe von Pilgern aus dem Bistum Würzburg nimmt unter der Leitung von Bischof Josef Stangl an den Feierlichkeiten in Rom teil. Dabei sprach der Heilige Vater, dass „wir alle den neuen Seligen als Beispiel christlicher Stärke und Schützer unseres christlichen Glaubens in steter Treue zur Kirche Christi haben dürfen“. Seine Verehrung dürfe aber nicht „Grund zur Polemik und zur Anklage“ bieten, sondern solle vielmehr eine „Einladung zur Versöhnung und zum Geiste der Brüderlichkeit“ sein. Seine Freude über die Seligsprechung Liborius Wagner verband der Papst mit dem Wunsch, dass sie für die Erneuerung des christlichen Glaubens fruchtbar werde.

Gewiss ist das Blutzeugnis des Seligen eine Herausforderung. Wie soll man es in unserer Zeit deuten? Papst Paul sprach davon, dass es nicht zur „Anklage“ werden dürfe. Die Opfer der Nachreformationszeit gegenseitig aufzurechnen, ist ein nutzloses Unterfangen.

So fragen wir uns, was ist – positiv gewendet – das Bleibende und Ermutigende am Lebenszeugnis Liborius Wagners? Zunächst lädt uns der Selige ein, in den Fragen und Wirrungen der Zeit mutig dem durch den christlichen Glauben gereiften Gewissen zu folgen. Er hat um seine Glaubensentscheidung gerungen. Er hat sie in theologischen Studien zu begründen gesucht und gelernt. Unerschrocken ist er dann für den Glauben eingetreten, wie ihn Schrift und Tradition bezeugen.

Doch erschöpft sich das Glaubenszeugnis nicht im Individuellen. Wagner hat seiner, unserer Kirche die Treue gehalten, in ihrer konkreten Gestalt. Weil Glaube eine konkrete Ausdrucksform benötigt. Oder wie es Papst Franziskus ausdrückte: Man „versteht einen Christen ohne die Kirche nicht“. Es sei, sagte er in Rückgriff auf Worte Pauls VI., eine „absurde Dichotomie [Zweiteilung], Christus ohne die Kirche zu lieben; Christus anzuhören, nicht aber die Kirche“.

Gerade der Leidensweg des Seligen ermutigt uns ebenso eindringlich um die Einheit aller zu beten, die auf Christi Namen getauft sind, um die Einheit in Wahrheit und Liebe und um die Einheit in der Kirche.
Schließlich erinnerte Paul VI. bei der Seligsprechung an einen weiteren, höchst aktuellen Aspekt in der Biographie des Seligen. Liborius Wagner war ein gebildeter Mensch. Auch mit Hilfe seiner akademischen Bildung durchdrang er Glaube und Theologie. Seinem Glauben liegt eine geistlich errungene, aber auch theologisch begründete Entscheidung zugrunde. So steht er für die Vereinbarkeit und gegenseitige Ergänzung von Glaube und Vernunft.

Pfarrer Dr. Eugen Daigeler